IHK zeichnet erfolgreiche Ausbildungsbetriebe mit Aufkleber-Aktion aus: Wie rekrutieren erfolgreiche Mittelständler neue Mitarbeiter?
Warum stecken deren Chefs so viel Zeit und Kraft in die Entwicklung ihrer Belegschaft und in die Einstellung von Auszubildenden? Was sollte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern unternehmen, damit die Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis auch in Zukunft ihren Fachkräftebedarf decken können? Gibt es erste Erfolgsrezepte für die Einstellung von zu uns geflohenen Menschen? Mit einem ganzen Bündel an Fragen, es waren mehr als diese vier, wandte sich IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde Ende Oktober an drei besonders erfolgreiche Ausbildungsbetriebe.
Mit seiner kleinen Rundreise startete Quidde die aktuelle IHK-Werbeaktion für die berufliche Bildung: Seit Ende Oktober versendet die IHK an mehrere Hundert Ausbildungsbetriebe im Main-Kinzig-Kreis Werbe-Aufkleber, die mittlerweile an vielen Eingangstüren zu entdecken sind. „Wir tun dies, weil diese Unternehmen jungen Menschen Chancen eröffnen – und sich selber fit für die Zukunft machen“, erklärte Quidde zur Motivation der IHK.
Stellvertretend für viele andere, hoch engagierte Ausbildungsbetriebe besuchte der IHK-Hauptgeschäftsführer die Firmen „Hagebaumarkt Hack GmbH“ in Nidderau, „Paradieschen GmbH“ in Linsengericht und „tesa nie wieder bohren GmbH“ in Hanau.
Den Erfolgsfaktor Mensch erkennen und nutzen
„Das Geschäft der Baumärkte entwickelt sich ständig weiter – mehr Marktbegleiter, stärkeres Online-Geschäft. Damit müssen wir umgehen können. Unsere Stärke sind unsere Mitarbeiter: Beratungskompetenz und Kundenorientierung zeichnen sie aus. Das brauchen sie auch, denn für uns ist Kundenbindung ein wichtiger Erfolgsfaktor“, fasst Marktleiter Martin Hartmann das Erfolgsrezept der „Hagebaumarkt Hack GmbH“ in Nidderau zusammen. Der Name Hack hat in Nidderau Tradition und Renommee, das seit 60 Jahren erfolgreiche Unternehmen mit insgesamt 90 Beschäftigten betreibt neben dem Baumarkt auch noch einen Baustoffhandel und weitere Geschäftsfelder.
In dem ausgezeichneten Ausbildungsbetrieb werden, so die Beobachtung der IHK, Verkäufer und Kaufleute im Einzelhandel „mit Herzblut und sehr erfolgreich“ ausgebildet. Das Unternehmen hat sich „früher als viele andere auf den Fachkräftemangel eingestellt. Es setzt bei seiner Personalauswahl auf ein umfassendes Bewerberprofil, anstelle nur Kandidaten mit guten Zeugnisnoten eine Chance zu geben. Zuverlässigkeit, Kundenorientierung und Auftreten spielen bei der Einstellung neuer Auszubildender eine große Rolle. In Nidderau bekommen immer wieder junge Menschen eine Chance, deren Noten nicht so toll ausgefallen sind. Mit der Fähigkeit, entsprechende Bewerber zu finden, sie zu motivieren und dann auch auf das geforderte Ausbildungsniveau zu bringen, verschafft sich das Hack-Team einen Wettbewerbsvorteil“, lobte Quidde bei der Übergabe des Aufklebers.
Qualität, von Menschen gemacht
In Linsengericht und weit darüber hinaus ist die „Paradieschen GmbH“ kein Geheimtipp mehr. Dabei ist das Unternehmen mit dem überirdischen Namen erst vor wenigen Jahren aus dem bayerischen Spessart ins Hessische gezogen. Anders als seine Wettbewerber besetzte der Spezialist für Bio-Lebensmittel frühzeitig drei Geschäftsfelder: Die Gemüsekiste, die den Kunden in FrankfurtRheinMain regelmäßig an die Haustüre geliefert wird, der Online-Versand und das Fachgeschäft mit einer breiten Palette an Bio-Produkten, sowie einem eigenem Bistro. „Unsere Kunden suchen Qualität und erwarten, sie bei uns zu finden. Diesem Anspruch muss jeder unserer 130 Mitarbeiter regelmäßig gerecht werden. Dafür braucht es Zuverlässigkeit genauso wie das Wissen um unsere Produkte und um die Anforderungen der Kunden“, beschreibt Geschäftsführer Mario Blandamura die Philosophie des Hauses. Er ist stolz auf den guten Ruf des Unternehmens, der – interessanter Nebeneffekt – zu vielen Initiativbewerbungen junger Menschen führt. „Wir werden als Arbeitgeber geschätzt und das erleichtert uns die Auswahl“, ergänzt Personalchefin Katja Blandamura.
Das Unternehmen bildet aktuell nicht nur Kaufleute im Einzelhandel, sondern auch einen Koch aus. Es bestehen auch erste Erfahrungen mit der Ausbildung Behinderter. Katja Blandamura konkret: „Ja, der Aufwand dafür ist höher. Das liegt fast mehr an den Behördengängen als an der eigentlichen Ausbildung. Ich finde, dass sich dieser Aufwand durch die Kompetenz und die starke Bindung unserer neuen Mitarbeiterin mehr als auszahlt.“
Personalplanung mit langem Atem
„Für mich war der Fachkräftemangel bereits vor zwölf Jahren absehbar. Schon damals, bei Gründung mit einem neuen Produkt in einem noch nicht vorhandenen Markt, habe ich auf eine sorgfältige Personalpolitik und auf die betriebliche Ausbildung ganz großen Wert gelegt. Daran hat sich heute nichts geändert“, erinnert sich Frank Braun, Geschäftsführer der „tesa nie wieder bohren GmbH“. „Manche der ehemaligen Auszubildenden haben im Unternehmen mittlerweile Leitungsfunktionen übernommen; andere bilden sich nebenberuflich weiter, manche studieren sogar. Die Menschen sind das wichtigste Gut des Unternehmens“, ergänzt der Chef des aktuell 80 Mitarbeiter zählenden Marktführers für dübellose Befestigungssysteme in Europa.
Im Gespräch mit IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde ging es vor allem um die Auswahl geeigneter Auszubildender und Mitarbeiter. Unternehmer Braun setzt bevorzugt auf Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Mitarbeiterentwicklung, weniger auf formale Kompetenz. So ist das frühzeitige Übernehmen von Verantwortung durch die Auszubildenden die Regel – sowohl bei Mediengestaltern als auch bei den Fachkräften für Lagerlogistik. Braun lobte im Gespräch ausdrücklich den Arbeitgeberservice der Hanauer Agentur für Arbeit, deren Mitarbeiter er sorgfältig brieft. Viele Auszubildende findet sein Unternehmen auch über Praktikantenstellen und Mund-zu-Mund-Propaganda. Im Gespräch ging es nicht zuletzt um eine enge Zusammenarbeit von Mitarbeitern aus verschiedenen Kulturkreisen – ein Feld, welches ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz verlangt.